
Gestern veröffentlichte Reinhard Wiesemann, Gründer des Unperfekthauses und von uns geschätzter Querdenker, über die sozialen Netze seine neueste Idee: Asylsuchende, die über entsprechende Fähigkeiten verfügen, sollen in hiesigen Unternehmen auf deutsche Produkte geschult werden, um diese so der entsprechende Anreiz für die Unternehmen nach dem Wiederaufbau ihres Heimatlandes dort zu etablieren. Dies würde nach Wiesemann das Asylproblem in einen Asylvorteil verwandeln.
Die Idee ist sympathisch und das Lob gebührt Herrn Wiesemann, der auch vor unkonventionellen Ideen nicht zurückschreckt, um Menschen in Not zu helfen. Als vermeintliche größte Stärke führt Reinhard Wiesemann den beabsichtigten Synergieeffekt an: Er richtet den Blick auf langfristige wirtschaftlichen Interessen. Damit wird aus einer sympathischen Idee fast eine geniale. Aber eben nur fast.
Wiesemanns Vorschlag greift zu kurz.
Unternehmerinnen und Unternehmer sind rationale Akteure, die ihren Entscheidungen stets Kosten-Nutzen-Kalküle zugrunde legen. Hier geht es nicht um die Kosten einer Schulung, die in der Tat gering zu bewerten sind. Es geht um die Preisgabe von Firmenwissen. Dem gegenüber steht ein ungewisser Nutzen. Wie soll sichergestellt werden, dass erworbenes Wissen zweckentsprechend eingesetzt und dem Unternehmen Zugang zu einem neuen Markt eröffnet wird? Droht nicht schlimmstenfalls Wirtschaftsspionage? Unter solch unsicheren Bedingungen wird kaum ein Wirtschaftsakteur von der Idee des Asylvorteils überzeugt werden können.
Man muss sich weiterhin vor Augen halten, aus welchen Ländern Asylsuchende zu uns kommen: fragile Staaten, Krisenländer oder Schurkenstaaten. In jedem Fall nicht aus etablierten Demokratien, mit denen wir gemeinsame Werte teilen und vertrauensvolle Beziehungen pflegen. Es gibt gute Gründe einen zu großen Wissenstransfer in diese Länder zu verhindern. Dies gilt selbst dann noch, wenn sie sich im friedlichen oder gar demokratischen Wandel befinden, denn dessen Vollendung ist keinesfalls gesichert.
Der SPD ist wichtig, dass Hilfe für Asylsuchende nicht nur Grundversorgung bedeutet, sondern auch soziale und kulturelle Teilhabe. Diese Intention teilen wir mit Reinhard Wiesemann. Der Vorschlag zeigt einmal mehr sein Potenzial an intuitiver Kreativität. Ein rein ökonomischer Ansatz ist nach unserer Auffassung zumindest in dieser ersten sehr vage gehaltenen Ausführung – aber nicht erfolgversprechend, weder für die Seite der Wirtschaft, noch für die der Asylsuchenden.