Martin Schulz will Geld in die Bildung investieren

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2017 eine kleine politische Bombe platzen lassen: 12 Milliarden Euro will er als Bundeskanzler aus Bundesgeldern locker machen, um in Schulen investieren zu können und so die Bildungsstandards zu verbessern.

Geld für Bildung für alle
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat wenige Wochen vor der Bundestagswahl 2017 eine kleine politische Bombe platzen lassen: 12 Milliarden Euro will er als Bundeskanzler aus Bundesgeldern locker machen, um in Schulen investieren zu können und so die Bildungsstandards zu verbessern. “Der Bund darf nicht an den Schultoren stehen bleiben”, so Martin Schulz. Aber warum sorgt dieser Plan für Aufsehen?

Bildung als Vorrecht der Länder
Dass man im Bundestagswahlkampf sonst kaum etwas zum Thema Bildung hört, hat einen guten Grund. Bildung ist Ländersache, der Bund hat hier keine Kompetenzen und durfte sich bislang nicht einmischen. Häufig liest man dazu, dies sei im Grundgesetz so geregelt; genauer in dessen Artikel 30. Aber das stimmt nur zum Teil. Denn in unserem Grundgesetz steht nicht etwa “Bildung ist Ländersache”, sondern Artikel 30 steht im Wortlaut: “Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt.” Vereinfacht ausgedrückt sind all die Themengebiete ‘“Ländersache’, die nicht explizit Sache des Bundes sind. Und weil das Themengebiet ‘Schulen’ nach dem Grundgesetz kein Ressort des Bundes ist, haben die Länder hier jeweils ihre eigene Hoheit. Das Bundesverfassungsgerichts entschied hierzu, die Kulturhoheit sei das “Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder”. Und die Länder verteidigen ihre Eigenstaatlichkeit mit Zähnen und Klauen.

Ein unglückliches Gesetz
Dabei war es dem Bund nicht immer explizit verboten in Schulen zu investieren. Erst seit der Föderalismusreform von 2006 gilt ein striktes Kooperationsverbot von Bund und Ländern in Sachen Schulen. Wo noch zwischen 1964 und 1974 der Bund den Ländern half Dutzende neue Universitäten und Fachhochschulen zu gründen (z. B. in Essen, Bochum, Duisburg und Dortmund), gefolgt von weiteren zwischen 1990 und 2005 (etwa in Gelsenkirchen oder Mülheim an der Ruhr), war es ab 2006 dem Bund verboten langfristig Geld direkt in Schulen oder Hochschulen zu investieren. Das Gesetz zementierte vorläufig die große deutsche Misere, die seit dem 19. Jahrhundert immer wieder beklagt wurde: die Vielstaaterei, heute Föderalismus genannt, in ihrer schlimmsten Form. Denn das Gesetz kam zu einer denkbar schlechten Zeit. In den 2000er Jahren waren Bund, Länder und Kommunen gerade dabei ihre Haushalte zu konsolidieren. Dabei litten besonders die Kommunen unter den Sparprogrammen der Länder und des Bundes. Dies galt vor allem für NRW, das unter Ministerpräsident Rüttgers (CDU) und Innovationssminister Pinkwart (FDP) z. B. Studiengebühren einführte, damit Universitäten Lehrbücher und Dozenten bezahlen konnten. Als 2008 die Bankenkrise die Welt erschütterte und die Wirtschaft weltweit einknickte, wurde die Lage an Schulen und Hochschulen immer dramatischer. Doch die durch Steueranhebungen zunehmend gut gefüllten Koffer des Bundes durften nicht vor Ort geöffnet werden. Die Länder hatten sich selbst das Wasser abgegraben.

Die Wende 2015
Die Notlage an Hochschulen und Schulen zeichnete sich jedoch zunehmend als fatales Problem für Deutschland ab. Ein Land, dass von Innovation und Hochtechnologien lebt, wenig natürliche Ressourcen besitzt und einen international hohen Lebensstandard halten will, braucht gut ausgebildete junge Menschen. Doch diese wurden durch Studiengebühren und Schulen in schlechten baulichen Zuständen zunehmend um ihre Zukunft gebracht. Die Länder sahen ein, dass sie hier eine Kooperation des Bundes benötigten und vereinbarten ab 2007 den sogenannten Hochschulpakt. Doch auch hier darf der Bund nicht direkte Hilfe leisten, z. B. wenn Schulen in desolatem Zustand sind. Die Länder bestimmen, wie sie die Bundesmittel einsetzen. Häufig landen daher Mittel an Universitäten, die bereits gut aufgestellt sind. Oder Länder nehmen Bundesgelder dankend an, geben aber ihrerseits keine weiteren Gelder aus. Erst 2015 änderte sich die Lage für die Universitäten grundlegend, wenn auch vor allem nach dem Gesetz: Seitdem darf der Bund gezielt und dauerhaft Institute und ganze Hochschulen fördern. Aber auch hier haben die Länder das letzte Wort. Denn nur wenn jedes Land jeder Hilfe für eine Hochschule zustimmt, darf der Bund fördern. Es wird also in Zukunft auch in der Breite gefördert werden, weil die Länder z. B. eine gezielte Förderung von Hochschulen in NRW nur zustimmen werden, wenn auch andernorts gefördert wird. Mit der Gießkanne und der Pipette, statt strategisch und systematisch. Kommunale Schulen gehen noch immer leer aus.

In Verfassungsrecht gegossenen Irrtum
Das sogenannte Kooperationsverbot von Bund und Ländern hat der Generalsekretär der SPD, Hubertus Heil, einmal "in Verfassungsrecht gegossenen Irrtum" genannt. Es wird Zeit diesen Irrtum auch gegenüber den kommunalen Schulen aufzugeben. Denn was nützen Milliardeninvestitionen in Hochschulen, wenn die Hochschulen damit vor allem Studienabbrecherquoten senken müssen, weil Studierende überfordert sind. Seit Jahren geben Hochschulen mehr Mittel aus, um Studienanfänger überhaupt fit für ihr Studium zu machen: Schreib- und Referatewerkstätten werden gegründet, Tutoren eingestellt und PC- Fertigkeiten geschult. Derweil machen in städtischen Räumen mittlerweile 60 Prozent eines Jahrgangs Abitur. Noch immer haben sie kein Pflichtfach ‘IT’gehabt, können trotz Oberstufenreformen keine Fußnoten setzen oder Literatur selbstständig recherchieren. Die beste Lernphase ist die Jugend, jeder hat heute täglich Zugang zum Internet, zu PCs und zu einer ungeahnten Fülle an Informationen. Nur wird ‘Informationsverarbeitung’ nicht systematisch unterrichtet. Warum? Weil Geld und Mut zu nachhaltigen Reformen fehlen.
Nun will Martin Schulz Bundeskanzler werden und das Geld bereitstellen. Er fordert eine nationale Bildungsallianz, die vergleichbare Schulstandards und -abschlüsse schafft. Bildung muss von der Kita bis zum Universitätsabschluss kostenlos sein. Wenn die Länder es ihm erlauben würden, müssten sie nur noch eines bereitstellen: Den Mut der Jugend die Zukunft erschließbar zu machen. Es würde sie nichts kosten.